Ich suche Dich!

Ich erwarte, dass Du mich in Liebe anschaust, dass Du dein Herz öffnest, wenn Du mich ansiehst, dass Du mich mit offenen Augen an deine Brust nimmst. Ich erwarte, dass Du mich mit allem annimmst, was mich in diesem Moment ausmacht.

Ich, das gerade geborene Kind, habe jedes Anrecht auf diese Erwartung.

Doch Du bist nicht da, nicht wirklich da! Du tust so, als nämest Du mich an deine Brust. Ja, Du nimmst mich sogar an deine Brust, doch Du bist nicht da. Du bist gefangen in deinen Erinnerungen, deinen Kränkungen aus der Vergangenheit, gebunden in alten Erfahrungen und nicht wirklich hier mit mir im direkten Kontakt.

Es ist etwas zwischen Dir und mir. Du befürchtest, mich wirklich an dein Herz heran zu lassen. Du könntest mich lieben. Ich könnte Dir wichtiger werden, als Du dir selbst bist. Du könntest die Hingabe zu mir in Dir spüren. Das macht Dir Angst. Du hältst Abstand zu mir. Du lässt mich nicht in dein Herz.

Mir ist kalt. Ich ziehe mich zusammen. Ich glaube, ich sei nicht gut genug. Ansonsten würdest Du mich annehmen wie alle Mütter ihre Kinder seit Millionen von Säugetierjahren es taten.

Ich ziehe mich zurück, verschließe mein Herz, ziehe mich zusammen, suche dadurch den Halt in mir, erschaffe mir in mir einen scheinbar sicheren Raum, der gleichzeitig mein Gefängnis wird.

Du darfst mich nicht mehr in Gänze erleben, berühren. Ich werde hart, härte mich, härte mich ab, härte Empfindungen ab, wehre deine Nähe ab. Sie ist nicht verlässlich.

Viele Male öffnete ich mein Herz wieder für den echten Kontakt zu Dir, hatte die Erwartung, dass Du deine Angst vor meiner Liebe überwindest und dich doch mit allem, was Dich ausmacht, mir zuwendetest. Mein Sehnen blieb unbeantwortet und Du taub. So wurde auch ich taub, zog mich zurück in mein Innerstes, vergrub es, wuchs heran, als halber Mensch. Du sahst es und sahst es doch nicht: ich war dein Spiegel, forderte Dich heraus, zeigte Dich Dir selbst. Angst schaute aus deinen Augen in meine, Angst, von der Du selbst oft nichts wusstest.

So wurde ich wie Du, mehr und mehr. Die Sehnsucht, Dich wirklich zu erreichen, wich der Sucht von Dir Bestätigung für mein Sein zu bekommen. Ich wusste nicht, dass ich bin und schon gar nicht wer ich bin. So halte ich mich nicht aus. Ich suche nach Bestätigung.

Zeige Du mir, dass ich bin, Du, meine Mutter, Du, mein Vater, Du, mein Kind, Du, mein Lehrer, Du, mein Freund, Du, meine Partnerin, Du, mein Chef. In Dir suche ich mich!

Doch ich finde mich nicht; auch Du bist nicht da. Es gibt Dich ebenso nicht. Du suchst Dich in mir.

Wir sind Suchende und gleichzeitig blind für das, was wir suchen. Der Mangel bleibt, das Suchen bleibt.

Es sucht weiter, ohne dass ich davon weiß. Warum?

Es ist die Hoffnung auf Heilung! Es ist das innere Wissen davon, dass der Schmerz ausgedrückt und angenommen werden kann und so Vollständigkeit erlangt werden wird.

Peter Hellwig, Febr. 2015

 

Er widmet sich seit ca. 30 Jahren der Erforschung der menschlichen Muster in Beziehungen.

Seit mehr als 23 Jahren ist er therapeutisch, im Bereich von Aufstellungsarbeit, Fortbildungen, Gruppentherapien und Coaching tätig.

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