Ich habe es gerade noch einmal durchgelesen und empfinde es als etwas kryptisch. Aber ich lasse es trotzdem erst einmal so, bevor ich es so überarbeite, dass es leichter zu verstehen ist. Viel Spaß damit.

Beschreibungen aus dem Fühlraum vom 15.02.22

Gestern Abend hatten wir im Fühlraum eine spannende Erfahrung. Es sprach durch mich und der Abstand zwischen dem, der sprach und dem durch den gesprochen wurde, war nicht so groß. Fast eins. (Der Dialog hatte schon eine Weile begonnen, bevor ich eine Aufnahme startete, die ich später verschriftlichte. Dadurch ist die Hinführung zu den Themen hier nicht enthalten.)

Ich hatte in der Meditation zwei Themen angesprochen:

  1. Wer bin ich, wenn ich mir erlaube die negativsten Überzeugen von mir zu mir zu nehmen? Und zum Beispiel mir einzugestehen, dass ich insgeheim von mir glaube überhaupt nicht wertvoll oder liebenswert zu sein.
  2. Was brauche ich noch, um jetzt sterben zu können? Bin ich schon vollständig? Habe ich alles erlebt was mich erfüllt oder vollständig macht?

Weshalb bin ich nicht schon vollständig? Was fehlt mir? Wie kommt es, dass ich mir etwas wünsche, von ganzem Herzen und wenn ich es dann habe, ich etwas anderes brauche?

Es entstand im Raum die Frage nach dem Denken:

Wozu dient das Denken, wenn es über eine sinnvolle Tätigkeit hinausgeht? Das Denken dient dazu, die Identitätslosigkeit des Augenblicks nicht wahrzunehmen!“

Damit schlagen wir 2 Fliegen mit einer Klappe. Wieso kommen wir nicht aus diesem Mangel heraus. Der Mangel ist die Sehnsucht in uns nach dem vollkommenden Sein im Augenblick. Der Mangel ist deshalb so schwer greifbar. Wir sagen ja, “mir fehlt noch was, das Leben ist noch nicht vollständig.” Das Problem hätten wir mit 120 Jahren auch noch. Wann hört das auf? Wenn ich mein Leben nicht mehr in der Zukunft verbessern will. Wenn ich im hier und Jetzt bin und darauf verzichte, dass mein Leben in der Zukunft besser sein soll.

Das gilt für den Verstand. Für das Sein an sich ist das der Originalzustand.

Siegmund Freud sprach schon von dem allgemeinen Unbehagen in der Gesellschaft. Wir brauchen anscheinend noch etwas, ein Haus, Urlaub, Auto, Frau, Mann, was in die Zukunft gerichtet ist, damit wir den identitätslosen Augenblick nicht erfahren müssen.

Wenn ich ganz und gar im Hier und Jetzt bin, höre ich auf Bedeutung zu haben. Wir brauchen in die Zukunft gerichtet immer etwas im Außen, wir haben eine Sehnsucht nach etwas, was in die Zukunft gerichtet ist, damit wir den identitätslosen Augenblick nicht erfahren müssen.

Es steckt noch etwas mehr drin: Wenn ich ganz und gar im Hier und jetzt bin, höre ich auf Bedeutung zu haben. Dann gibt es keine Be-deutung mehr. Ich bin dann nicht mehr jemand oder wer. Die Objektivierung meines Selbst hört auf. Ich bin dann nur noch Subjekt. Subjekt heißt, … wenn ich das über mich selbst sage: „das Leben lebt sich durch Peter.“ Und wenn wir dann noch sehen, was der Peter für Macken und Muster hat, dann können wir sagen: der Peter pertert halt. Das ist halt so.

Das macht der so. Das hat für das Leben, für das Wesentliche des Lebens keine Bedeutung. Dann bin ich wieder raus aus der Bedeutung. Wenn ich dem Peter an dieser Stelle wieder Bedeutung gebe, weil er diese oder jene Macke hat, dann bin ich wieder da drin im Denken und mache wieder aus der Vergangenheit Zukunft. Und dazwischen leben wir in der Subjektivität, da wo ich dich berühren kann, wo mein Herz dein Herz berührt, ohne dass wir irgendwie objektivieren müssen. Schon wenn ich sage, dass mein Herz dein Herz berührt, sind wir schon wieder in der Objektivierung. Die Worte erlauben uns kaum, das zu beschreiben. Deshalb brauchen wir an der Stelle Poesie, Gedichte, Musik oder Bilder, die das ermöglichen.

Wie geht es DIR denn damit?

Sie: Gut. In diesem identitätslosen Raum oder das Jetzt, … das kenn ich. Kann ich sagen. Aber es reicht nicht, weil ich nur für kurze Zeit drinbleibe, weil ich viel zu viel bedenke. Dann komme ich wieder raus. Es reicht aber nicht. Selbst wenn ich jetzt länger drinbleiben könnte, ich komme ja wieder aus. Und dieser Raum hat mir nicht mein Ego oder die Gedanken genommen, die ich sonst immer habe. Ich glaube, es gehört noch etwas dazu, eine Aufarbeitung, das das nicht so mächtig ist.

Peter: Das stimmt wohl und es stimmt nicht. Es ist beides. Wenn Du sagst, “ich will dahin kommen,” dann sagst Du: “ich will nicht im Hier und Jetzt sein!“

Sie: Ach, okay, ja gut.

P: Gleichzeitig ist trotzdem was Wichtiges drin, zusätzlich zu dem was du sagst. Nämlich, die Erfahrung von absoluter Geborgenheit und Sicherheit, erlaubt mir der Identitätslosigkeit des Augenblicks näher zu kommen. Auch deshalb ist es so wichtig sich eine sichere Umgebung zu suchen in der ich so angenommen werde wie ich bin. Und wenn ich von anderen so angenommen werde wie ich bin, gibt es in mir eine deutliche Erleichterung dafür, mich selbst auch so anzunehmen wie ich bin. Was mir wieder ermöglicht von der Identität dessen, dass ich schlecht bin oder nicht gut genug oder was noch immer alles brauche, loszulassen.

Und wenn wir mit diesen Sätzen arbeiten, wie: “ich bin wertlos”, zum Beispiel und ich merke dabei, wie sich mein Körper entspannt, dann ist das der direkte Weg dahin. Wenn ich mir nämlich erlaube, dass auszudrücken, was mein Unterbewusstsein sowieso glaubt, wovon es überzeugt ist, .. wenn ich mir in meinem Alltagsverstand erlaube, das auch tatsächlich auszudrücken, dass ich z. B. wertlos bin oder ein Versager bin, was auch immer das so ist, … für jeden einzelnen ist das ein wenig unterschiedlich. Wenn ich das in mir nicht mehr bekämpfen muss, entsteht Freiheit und Vollständigkeit. Dann ist es gar nicht mehr wichtig, ob ich mich wertlos benenne oder als Versager oder was auch immer ich bin, ein Verlierer oder Gewinner. Es ist eigentlich egal was ich dann bin. Wenn man sich diesen negativen Überzeugungen, ich nenne sie mal negativ, wenn man sich diesen negativen Grundüberzeugungen zuwendet, und sie nicht mehr bekämpft, entsteht Entspannung. Und das erlaubt uns mehr und mehr ins Hier und Jetzt zu kommen. Denn ich muss ja nicht mehr dagegen kämpfen, was ich im Hier und Jetzt bin. Was ich ja von mir glaube im Hier und jetzt zu sein, dagegen muss ich nicht mehr kämpfen. Dann wird der Raum weiter und diese ganze Gedankenbewertung in mir, die findet noch statt, aber die hat nicht mehr so viel Substanz. Die ist einfach wie Nebel oder durchlöchert.

Sie: ja, und wenn Du das sagst, würde ich sagen, dass ich mir eine Wahlfamilie schaffe. … Aber (ich habe) auch eine Bindungsschwäche, wenn das so schwierig ist, für jemand wie mich, Kontakte zu halten oder mich zu zeigen, weil ich Angst vor Bewertung habe, an dem Projekt muss ich ja auch sein, damit ich dann eben die Wahlfamilie habe. So hast Du es mal gesagt: Wenn man sich aufgehoben fühlt und dazu gehörig, dass man dann diese Gedanken gar nicht mehr braucht.

P: Zu dem was Du sagst gehört auch noch ein weiterer Teil, den ich bisher noch nicht ausgedrückt habe. Zu dem Werturteil von Wertlosigkeit gehört auch noch ein Gefühl. Die gedankliche Beschreibung ist Wertlosigkeit oder was anderes und das Gefühl dazu ist Scham.

Sie: ja, genau.

P: Und wenn wir dieses Gefühl von Scham und die Bewertung von Wertlosigkeit nicht haben wollen, dann kämpfen wir. Und wenn wir lernen, die Scham in uns so weit zu erlauben, dass wir sie in Beziehung mit unserem Gegenüber bringen können, dass ich mich schäme und dich angucken kann, dann verändert sich das. Dann wird es weiter und offener, dann hat die Scham nicht mehr so eine destruktive Kraft. Die hat nur deshalb so eine destruktive Kraft, weil wir sie bekämpfen. Wenn wir sie in Liebe annehmen und uns weit machen. Und sagen: Ja ich schäme mich, lachend, ja, Scheiße, ich schäme mich, oohh. Dann gibt es sofort mehr Entspannung und wir lernen, und da sind wir ja alle mehr oder weniger am Anfang damit, wir lernen, dass Scham ein verbindendes Gefühl sein kann und nicht mehr ein trennendes Gefühl sein muss. Wie andere Gefühle auch, wie Freude, wie Trauer, wie Angst. Es sind alles verbindende Gefühle.

Sie: es fällt mir gerade ein, wenn ich mitteile, wie ich mich gerade fühle, ist es nämlich weg. So wie Du es gesagt hast, dann kann das was Verbindendes sein.

P: Wir merken ja auch, sobald wir auf der Gefühlsebene im Kontakt sind, sind wir nicht mehr in der Objektivierung, sondern in der subjektiven Bewegung aufeinander zu.

P: Ja, danke, diese Fragen waren gut für uns und haben uns deutlich weiter gebracht.

Vielleicht können wir noch ein Stück tiefer gehen. Wieso fühlt sich ein wesentlicher Teil meines Unbewussten, zudem ich zumindest ein bisschen Zugang habe, so wertlos?

Das können wir jetzt natürlich auf unsere Kindheit projizieren und sagen: … als Kinder  haben wir halt nicht die Liebe und Anerkennung gekriegt, die wir gebraucht hätten. Und das stimmt ja sicherlich auch. Aber ich glaube ja inzwischen, dass das nur die halbe Wahrheit ist.

Die zweite Hälfte besteht darin, dass wir als denkendes Ich jeden Augenblick daran arbeiten eine Identität zu haben und aufrecht zu erhalten.

Jeder Augenblick unseres Alltagsbewusstseins ist darin bemüht, sich vorzustellen eine Identität zu haben oder zu sein.

Das ist wie ein Computerprogramm, das aufgespielt wurde und sich immer wieder sagt: ich bin ein Computer. Aber eigentlich hat es nichts mit der Substanz dessen zu tun, was ich wirklich bin.

Denn das, was ich wirklich bin – und das findet man ja in allen möglichen spirituellen Lehren -,  das nützt mir aber nichts, wenn ich es dort finde, weil solange ich daraus auch wieder eine Identität mache, bin ich in der gleichen Schleife drin.

Also ich glaube ja, dass diese durch Denken sich ständig selbst erschaffende Identität sowieso immer bedroht ist. Weil sie sich in jedem Augenblick neu schaffen muss. Sie ist immer bedroht. Wovon ist sie bedroht? Davon, dass die Illusion des Selbst irgendwann auffliegt, das die Illusion dieser Identität auffliegt.

Und wenn die Illusion dieser Identität auffliegen würde, kommen wir mit tiefster Scham in Kontakt. Unser Denken reaktiviert sofort wieder eine Identität, hat einen Augenblick von Freiheit erlebt, macht daraus: ich bin nichts. Ich bin ja nichts. Dann entsteht wieder Scham und Wertlosigkeit. So ist es zumindest in meiner Betrachtung.

Wie geht es Euch damit?

Bis Minute 19.

Wenn wir Psychotherapie machen, arbeiten wir an der Illusion des ICHs. Das ist auch gar nicht falsch. Aber es ist nur vorübergehend.

Eine TN: Peter Levine hat gesagt, in der Traumaarbeit geht es darum, sich den Gefühlen ganz hinzugeben und damit dem Moment. Und deswegen ist es nicht nur das Abarbeiten der alten Identität.

P: Sich den Gefühlen, die jetzt gerade da sind vollkommen hinzugeben, heißt, ich bin wieder in der Gegenwart.

Ich mache immer wieder die Erfahrung, das wenn ich mich diesen Gefühlen hingebe, dann fließt das Leben so sehr mir zu, dass alles richtig und gut ist. Es gelingt mir nicht immer, aber wenn es gelingt, selbst wach im Nichtfühlen zu sein, und einverstanden damit, dass ich jetzt gerade nicht fühle, dann ist die nächste Begegnung, dass es gut wird. Das Leben dient mir dann. Man könnte sagen, Ich steige aus der Matrix der Identifikation mit allem möglichen aus, und bin frei von Matrix und damit im Fluss des Lebens.

Soweit die Verschriftlichung der Dialoge aus dem Fühlraum vom 15.02.22.

Danke für das Interesse.

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